Wann spricht man von einer musikalischen Weiterentwicklung?

Wann spricht man von einer musikalischen Weiterentwicklung? – Eine These zwischen Fakten, Phrasen und Geschwurbel

Wir kennen es alle, wenn Bands und Musiker von einer persönlich musikalischen Weiterentwicklung sprechen. Oftmals sind jene Aussagen eben auch mit einer gravierenden Veränderung der eigenen Musik verbunden. Aus meiner Jahrzehnte-langen Beobachtung heraus, sind derartige Flosken meist alles andere als ehrlich.
Das wohl beste und gängiste Beispiel sind wohl jene Bands, die nach ihrem großen Durchbruch nur noch Musik für die breite Masse produzieren. Anfangs knackiger Rock oder Metal und sobald die große Kohle mit dicken Plattenfirmen anklopft, verändert sich nahezu alles. I.d.R. bekommt man anschließend nur noch weichgewaschene und an die Mainstream Charts angebiederte Einheitsbrei Kost geboten, die mit den eigenen Wurzeln nicht mehr viel gemein hat. Ist jener Fall erstmal eingetreten, erklären sich angesprochenen Bands fast immer mit den üblichen Phrasen der musikalischen Weiterentwicklung.

Echt? Ist es eine musikalische Weiterentwicklung, wenn man seinen eigenen Sound verkauft, komplett über Bord schmeißt und für Cash gänzlich andere Musik macht? Ist es eine musikalische Weiterentwicklung, wenn man seinen eigenen Fans damit einen Arschtritt verpasst? Meiner Meinung ganz sicher nicht. Der Begriff „musikalische Weiterentwicklung“ wird in diesen Fällen immer wieder verwässert und einfach nur als Ausrede dafür benutzt, das man sich und seine Musik an den Mainstream verkauft hat. Alte Fans gehen und neue Charthüpfer kommen. Der Verrat an seiner eigenen Musik und an seinen eigenen Fans wird mit Phrasen und Geschwurbel der musikalischen Weiterentwicklung abgetan, um anschließend dick abzukassieren.
Ich persönlich kann das einfach nicht nachvollziehen. Verständlicherweise möchte jeder mit seiner Musik Geld verdienen, aber möchte man das auch mit einer Musik, die man selber eigentlich garnicht mag? Wenn ich als harte Metal Band anfange und als Pop Metal Band in den Charts ende, kann mir keiner erzählen, das ihm das Spaß macht oder jenes gar als eine musikalische Weiterentwicklung durchgeht. Entweder habe ich einen festen Stil und entwickele diesen ständig weiter, oder nicht. Mann kann schließlich auch aus einem Apfelkuchen keine Kirschtorte machen, ohne das das Ergebnis komplett anders schmeckt. 😉 Aber wenn man es schon tun muss, weil man irgendwo auch davon leben will oder gar muss, seid wenigstens ehrlich zu euren Fans und schwurbelt nicht ewig diese Standard Ausrede herunter.

Also wann spricht man wirklich von einer musikalischen Weiterentwicklung?
Die Antwort ist eigentlich ziemlich einfach: Wenn stets am eigenen Sound gefeilt wird, ohne seine eigenen Wurzeln zu vernachlässigen, oder gar gänzlich zu verraten. Wenn der Sound über die Jahre reifer klingt, man dazu gelernt hat und letztendlich sogar besser geworden ist. Dann und nur dann, ist es völlig legitim über eine Weiterentwicklung zu sprechen. Natürlich fällt auch irgendwo die eigene Phase des Experimentierens darunter. Man kann durchaus mehrere Stile verbinden und sich selber tunen. Wenn das Experiment dann auch noch aufgeht, freuen sich sogar beide Seiten. Man sollte sich nur nich gänzlich von den eigenen Wurzeln entfernen. Das stellt als Fan oftmals eine wahre Totsünde dar. Jeder kennt schließlich diese Sätze wie… „Früher wart ihr mal Klasse, aber ab XXX hat mir die Musik nicht mehr gefallen.“ Natürlich wird es immer Pro und Kontra geben. Dem einen gefällt es, dem anderen nicht. Allen wird man es eh nicht recht machen können. Dennoch ist es immer ein Spiel auf Messers Schneide, besonders wenn man sich auf das besagte Experimentieren einlässt. Das geht mal gut und auch oft mal schief.

Fazit:
Bands fahren meiner Meinung nach immer damit am Besten, wenn sie ihrem eigenen Stil stets treu bleiben und nur dezente Experimente mit einfließen lassen. „AC/DC“ nehmen auch seit 50 Jahren immer wieder das selbe Album auf und werden dennoch als die Götter aller Götter gefeiert. Das ist es aber eben auch, was wir Fans hören wollen. Wir Fans möchten die Bands so hören, wie wir sie kennen und lieben gelernt haben. Alles andere wird in den meisten Fällen nicht funktionieren. Dieses ewige weiterentwickeln, weil das alte angeblich langweilig wird, ist aus meinem Verständnis eher ein Irrglaube. Man muss das Rad nicht ständig neu erfinden. Es sei aber jedem Gegönnt seinen Stil zu erweitern. Nur sollte man dann auch mit der Konsequenz leben, das einiges nicht so gut ankommt, wie man sich das vielleicht gedacht hat. Pro und Kontra eben. Alles hat seine positiven und negativen Seiten, aber der Begriff „musikalische Weiterentwicklung“ sollte einfach in Zukunft mal bedachter und vorallem ehrlicher verwendet werden.

 
Über Bob Rock 411 Artikel
Guter Heavy Metal ist so rau und durcheinander, dass er dich geradewegs an den Rand des Wahnsinns bringt.